Wer meine aktuellen Postings liest, weiß: Bei der Hof Bloggerin ist gerade ordentlich Land unter. Meine Kinder und ich befinden uns mitten im Umzug, das aktuelle Semester erfordert logistische Zauberei und dann gingen innerhalb von vier Tagen auch noch meine drei wichtigsten Arbeitsmittel gleichzeitig kaputt: Auto, Laptop UND Handy. Eigentlich war deshalb kein großer Aufwand meinerseits für die diesjährigen Hofer Filmtage geplant. Eigentlich. Denn dann bin ich dem vielbeschäftigten, immer lächelnden Thorsten Schaumann begegnet. Und der hat mir nicht nur Inspiration, sondern auch noch meinen allerersten Presseausweis mitgegeben.
Zum ersten Mal im Filmtagebüro
Thorsten Schaumann. Diesen Namen dürfte inzwischen jeder Hofer schon einmal gehört haben. Ich persönlich hatte das Glück, dem Filmtageleiter auf dem diesjährigen Schlappentag vorgestellt zu werden. Dementsprechend verlief meine Interviewanfrage total nett und entspannt. Als ich mich allerdings auf den Weg zu unserem Termin mache, wird mir schlagartig bewusst, welche Hausnummer ich da gerade treffe und ich werde urplötzlich nervös. Der künstlerische Leiter der Hofer Filmtage hat bereits für Bavaria Film International und Sky Deutschland gearbeitet. All die großen Zeitungen haben den Mann mit den vornehmen Gesichtszügen schon abgedruckt. Und jetzt komme ich, Jenny, die Hof Bloggerin, und will mich mit ihm unterhalten. Unschlüssig laufe ich an den Schaufenstern vor dem Kino auf und ab und frage mich, ob ich gut genug vorbereitet bin. Dann fällt mir ein, dass Thorsten seit Kurzem einen Vollbart trägt und komischerweise entspannt mich diese Tatsache. Vollbärtige Menschen wirken so warmherzig auf mich.
Im Filmtagebüro herrscht reges Treiben. Ein Mann vom Radio wartet mit mir. Auch er will den gefragten Leiter sprechen. Die Mitarbeiterinnen auf dem Gang grüßen lächelnd und bieten Kaffee an. Die Stimmung scheint, trotz der auf Hochtouren laufenden Vorbereitungen, sehr gut zu sein. Der Mann vom Radio sagt, er brauche nur 5 Minuten und ich könne mit rein kommen.
Als Thorsten erscheint, begrüßt er uns strahlend. Er erzählt, er sei die ganze Zeit draußen gewesen und streckt mir seine Hand hin, damit ich fühlen kann, wie kalt sie ist. Das mag eine kleine Geste sein, aber für mich bedeutet sie: Egal, bei welchen beeindruckenden Konzernen du schon gearbeitet hast – wenn das Wetter zuschlägt, kriegst du kalte Pfoten und frierst. Meine Berührungsängste sind wie weggeblasen.
Thorsten hat noch einen jungen Mann im Gepäck: Tim ist 30 Jahre alt, aufgewachsen in Hof, aber inzwischen Münchner und beruflich im Bereich Sales & Marketing unterwegs. Der blonde Begleiter bezeichnet sich selbst als Thorstens „Schatten“ und grinst dabei ein schelmisches Grinsen, das mich sofort mit ihm warm werden lässt. Tim kümmert sich während der Filmtage um die Social Media Kanäle. Ankündigungen, Live Übertragungen, Zwischenberichte. Dass er „schon als kleiner Stöpsel“ von seinem Vater zu diesem Event mitgenommen wurde, erzählt er mir. Und dass er mit den Filmtagen aufgewachsen sei. Wir tauschen uns ein bisschen über unsere Arbeit aus und ich merke, er ist ein mindestens genauso großer Social Media Fan wie ich. Zu viert gehen wir in Thorstens Büro. Als der Radiomitarbeiter fertig ist, bin ich dran.
In Hof steppt der Bär!
Für den Fall, dass wir nicht ins Gespräch kommen, habe ich mir 16 Fragen notiert. Völlig unnötig, denn der Filmtageleiter fängt sofort an, interessante Dinge zu erzählen. Zunächst einmal verfällt er in eine ausgiebige Schwärmerei über unser Hof. „Die Stadt hat superschöne Seiten“, freut er sich, „awalla, Linie4, das Volksfest…Manchmal komme ich hier her und denke mir: Was’n hier los? Hier steppt ja der Bär!“ Solche Bemerkungen von einem Münchner zu hören, macht mich stolz. Ich spreche ihn auf seine Aussage im Radio am Morgen an. Dort sprach er von dem „Grundoptimismus“, den er sich für uns Hofer wünsche. „Ja, das ist schon so“, bestätigt er mir, „ich finde, man kann als Hofer ruhig stolz sein. Es ist doch geil hier! Hier passiert doch was!“ Tim, ebenfalls Großstädter, nickt. Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass besonders in Hof sparsam mit Eigenlob umgegangen wird. Lest Ihr das? Die Menschen da draußen – die, die schon die Welt gesehen haben – finden unsere Stadt geil! Das geht runter wie Öl. Und das schreiben wir uns jetzt mal hinter die Ohren und dann hoch die Nasen, okay?
Plötzlich Filmtageleiter
Thorsten erzählt mir, wie er recht spontan zum Filmtageleiter wurde. „Als Heinz Badewitz 2016 verstarb, war da natürlich eine große Schockstarre. Er hat so viele Talente entdeckt und begleitet und hinterlässt einfach ein großes Loch. Er hat so auf das Jubiläum hingearbeitet“, bedauert er. „Als ich dann gefragt wurde, ob ich erst mal übergangsweise die anstehenden Filmtage koordinieren würde, damit es weiter gehen konnte, dachte ich mir ‚Welch eine große Ehre‘ und war plötzlich mittendrin. Weil das Team schon bestand, war das organisatorisch zum Glück möglich.“
Was folgt sind die Filmtage 2016, die Thorsten als „6-Tage-Rauschen voller Leute, Gäste und Trauer“ beschreibt. „Danach kam ich heim und dachte ‚Okay, die suchen sich jetzt jemand Professionelles.“ Beim Abschlussessen des Teams kommt jedoch alles anders. „Plötzlich war es totenstill, alle schauten mich an und dann wurde ich gefragt: ‚Könntest du dir vorstellen die Filmtage als künstlerischer Leiter weiterzuführen?‘ Meine Reaktion war einfach nur ‚Äh. Äh. Ja.‘ Das war eine reine Bauchentscheidung!“
Und dann erzählt mir Thorsten von seiner ersten Eröffnungsrede als offizieller Filmtageleiter. Von Notizen in der einen und einem Katalog in der anderen Hand und von einem Mikro, dass ihm plötzlich gereicht wurde, so dass ein riesiges Kuddelmuddel in seinen Händen entstand. Eigentlich eine witzige Vorstellung, außer man steht nervös auf dieser Bühne, vermute ich. „Da sitzen all diese Leute, die die Filmtage jahrzehntelang besucht haben und dann komme ich. Thorsten Schaumann. Wer auch immer das ist!“, lacht er. Ich fühle mich aufgefordert, ihm davon zu berichten, wie unbedeutend ich mich heute vor dem Interview gefühlt habe, worüber er ehrlich überrascht reagiert. „Echt? Ist ja verrückt“, staunt er und blickt zu Tim rüber, als suche er von ihm eine Bestätigung dafür, dass Menschen tatsächlich derart beeindruckt von seiner Arbeit sein können. Tim grinst wieder. Die beiden sind ein tolles Gespann. Man merkt ihnen die nahe Zusammenarbeit an und würde sich nicht wundern, wenn der Eine die Sätze des Anderen beendet.
Tipps vom Profi
Ich gestehe Thorsten, dass dies mein erstes Mal Filmtage ist und bekomme Einführungstipps vom Leiter höchstpersönlich. „Kauf‘ dir einfach den Katalog und les‘ die Filme durch. Die Vielfalt ist so groß – jeder Film spricht für sich. Entscheide selbst, ob er dir gefällt oder nicht. Die Filme sollen emotional anregen. Es kann sein, dass du sagst ‚Boah super‘ oder ‚Boah, versteh nicht‘. Und sprich‘ die Filmemacher an – das ist ja das Tollste hier!“ Und Tim fügt hinzu: „Als ich angefangen habe, auf die Filmtage zu gehen, fühlte ich mich wie in einer Traumblase. Als wäre man gar nicht hier in Hof.“ Thorsten nickt freudig: „Da sieht man mal wieder die Stärke von Kino.“
Ich frage, ob der Filmeprofi privat auch gerne Serien schaut. Und freue mich, als er Empfehlungen ausspricht: „Game of Thrones, Mad Man oder Twin Peaks zum Beispiel. Und eine Dokumentarserie … Wild Country heißt sie glaube ich… oder so.“ Tim googelt. „Wild, wild Country, genau.“
„Dieser Job ist mein Leben“
Zuletzt frage ich noch, wieviel Arbeitsstunden Thorstens Tag gerade hat. „25?“, feixt er, doch fügt hinzu: „Das ist aber egal. Dieser Job ist mein Leben, meine Leidenschaft. Und Leidenschaft hat keine Uhrzeit.“ Tolle Worte, oder? Als wir ihm das ein paar Minuten später sagen, weiß Thorsten allerdings gar nicht mehr, dass er diesen Satz gesagt hat. Und das zeigt mir wiederholt: Unser Filmtageleiter ist kein bisschen aufgesetzt.
Während wir uns alle mit einer herzlichen Umarmung verabschieden, informiert Thorsten mich noch darüber, dass er im Nebenbüro gerade meine Akkreditierung beantragt hat. Ich solle meinen Presseausweis am nächsten Tag dort abholen. Mir ist in dem Moment überhaupt nicht bewusst, welche Ehre und Freiheit das für mich bedeutet und so entgegne ich tatsächlich nur: „Okay, cool.“
Einen Tag später, als der Kartenverkauf startet, entdecke ich den Filmtageleiter nochmal im Regen neben dem Kassenhäuschen stehen. Er trägt einen Regenmantel, einen Filmtageturnbeutel und kunterbunte Socken in Turnschuhen. „Mensch, das tut mir jetzt voll leid, dass das Wetter so kalt ist“, sagt er mit bedauerndem Blick auf die lange Warteschlange. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich den Tag zuvor so aufgeregt war. Thorsten Schaumann ist ein wirklich angenehmer Mensch.
Ein sehr nettes, interessantes und informatives Interview. Jetzt weiß ich etwas mehr über den sympathischen Filmtageleiter. 😉